Die Geschichte unserer historischen Orgel

Eine Spurensuche mit einer entscheidenden Wendung ...

Ulrich Prenger

Vom 16. ins 18. Jahrhundert

Bereits 1542 wird eine Orgel erwähnt, an der bereits 1544 Veränderungen vorgenommen wurden.[1] Diese Veränderungen sind möglicherweise ein Hinweis darauf, dass es sich bereits um ein älteres Instrument handelt. Weitere Reparaturen lassen sich für die Jahre 1668, 1672, 1684 und 1694 belegen, u.a. durch Joann Conrad Winbrager [Wienbreucker, Winbräger] und Diederich Schneiders.
1727 und 1728 erfolgten weitere Arbeiten durch Goswin und Sylvester Heilman aus Herbern. Die vielen Reparaturen sind nicht zwingend ein Indiz für ein handwerklich mangelhaftes Instrument. Im Gegenteil berichtet von Steinen: „Auch ist in der Kirche eine treffliche Orgel“.[2]

[1] RAVE 1959, S. 395
[2] vgl. REUTER 1965, S. 107

PfArRhy Repos. 5121 - Orgelbausachen 1672-1894

Die heutige Orgel – eine Spurensuche mit offenen Fragen und eine entscheidende Wendung zu Beginn des 19. Jahrhunderts

Die heutige Orgel wurde wohl vor 1722 für das Dominikanerkloster in Soest erbaut. Aus Prospektvergleichen nimmt man Johann Berenhard Clausing [Klausing] (vor 1683-1761/62) als Erbauer an. Dazu passt, dass seine Schaffenszeit als Orgelbauer in etwa auf den Zeitraum von 1711 bis 1745 eingegrenzt werden kann.[1] Der Schwerpunkt seiner Aktivität als Orgelbauer liegt aber in den ersten beiden Dekaden des 18. Jahrhunderts, da er ab 1724 als Structuarius und Organist am Herforder Münster angestellt war und sich offenbar auf diese Ämter konzentriert hat.[2]
Hannalore Reuter zieht aber auch eine Autorschaft von Johann Patroclus Möller (1697/98-1772) in Betracht.[3] Diese Zuordnung ist durch die räumliche Nähe (Möller wurde in Soest geboren und hatte seine Werkstatt in Lippstadt) plausibel, zumal Möller 1720 bereits eine Orgel für St. Thomae in Soest gebaut hat – warum also nicht auch für das Dominikanerkloster?

Insgesamt muss man aber zum jetzigen Zeitpunkt konstertieren, dass die Frage der Autorschaft unbeantwortet bleiben muss, auch wenn eine Erbauerschaft Clausings am naheliegendsten erscheint.

Nach der Säkularisierung 1803 bzw. der Aufhebung des Klosters 1812[4] sollte die Orgel nach Aurich in Ostfriesland überführt werden, da Ludwig Freiherr von Vincke (1774-1844) der reformierten Kirche Aurich die Orgel im Februar 1815 übereignet hatte. Hierzu wird berichtet:

„Der mit der Regelung des Abbaus beauf­tragte Beamte Rocholl berichtete, dass die Orgel nach Aussage des Soester Orgelbauers Fromme „von sehr guter Beschaffenheit“ und 36 Fuß hoch, 17 Fuß breit sowie 5 Fuß tief sei. Das eigentliche Problem aber stellte der Transport der Orgel nach Aurich dar. Fromme ver­langte 100 Reichstaler für den Abbau und das Ver­packen sowie 50 Reichstaler für den Aufbau in Aurich, falls ihm dort Handwerker gestellt würden. Rocholl hielt das Hauptwerk für Aurich völlig ausreichend. Offen blieben dabei noch die genauen Transport­kosten, die sich nach dem Gewicht der Orgel berech­neten. Alles in allem rechnete man in Aurich mit Aus­gaben in Höhe von 100 Louisdor (= 500 Reichstaler), die dem Wert der Orgel entsprachen. Angesichts der Größe […], vor allem aber angesichts der Transportkosten und der möglichen Transportschäden entschied sich jedoch der Kirchenrat im Sommer 1815 dafür, die Orgel vor Ort zu verkaufen und den Erlös für den Erwerb einer Orgel in Ostfriesland zu verwenden, zumal die katholische Kirchengemeinde des in der Nähe von Hamm liegenden Ortes Rhynern großes Interesses an der Klosterorgel bezeigte und man sich Ende 1815 angesichts der Zeitumstände auf die Summe von 300 Reichstalern – statt der ursprünglich geschätzten 500 Reichstaler – einigen konnte.“[5] 

Welch eine glückliche Wendung für Rhynern!

Daraufhin haben die Kirchmeister Everhard Harthoff, H. Frigge und Pastor Wellen die Orgel 1815 von der ref. Kirche Aurich für 60 Stück Friedrichsd’or erworben.[6] Man darf das Urteil Frommes durchaus als zuverlässig einstufen, da Fromme zusammen mit Engelbert Ahmer in einer „Instruction“ der Königlich Preußischen Regierung vom 16. April 1825 als „Werkverständiger“ (im heutigen Sinne also Sachverständiger) für den Neu- und Umbau von Orgeln sowie Reparaturen ernannt worden war.

[1] BORGMEYER, Sp. 1207
[2] vgl. REUTER 1964, S. 262f. und 269. Vgl. ferner JAKOB 2006, S. 44f.
[3] vgl. REUTER 1995, S. 34. Vgl. auch WULFHORST 1967, S. 63. Zur Biographie Möllers siehe auch REUTER 1959, S. 260-275.
[4] Die Klosterkirche wurde schließlich 1820 auf Veranlassung der preußischen Regierung abgerissen, vgl. REUTER 1995, S. 33
[5] HENNINGER 2003, S. 42
[6] NORDHOFF 1881, S. 91

Die weitere Entwicklung im 19. Jahrhundert

Fortsetzung folgt …

Hier noch ein Höreindruck mit der Toccata e-Moll von Nicolaus Bruhns (Livemitschnitt vom Neujahrskonzert am 01.01.2006, Orgel: Ulrich Prenger)

Stich der Orgel (vor 1881)

Quellen

I.     Archiv Pfarrbüro Rhynern (chronologisch)

PfArRhy Repos. 5121 – Orgelbausachen 1672-1894

Postkarten von der Kirche und der Orgel. Datierung laut Pfr. Schickentanz auf 1920-1930.

Franz Breil / Pfr. Pehler: Schriftverkehr zur Restaurierung der Orgel. 1957-1962.

Rudolf Walter / Pfr. Pehler : Schriftverkehr im Kontext der WDR-Aufnahme 1963.

PGR St. Regina (Hrsg.): Kath. Kirchengemeinde „St. Regina“ Rhynern – „Informationen“. 1975.

Kostenanschlag der Firma Orgelbau Gebr. Stockmann vom 22.04.1986.

Schnell, Kunstführer Nr. 1866: Kath. Pfarrkirche St. Regina Hamm-Rhynern. Regensburg 1991.

Schickentanz, Norbert u.a.: Festliche Orgeltage in St. Regina. Gevelsberg 1992.

II.    Literatur (alphabetisch)

Ahrens, Christian u.a.: Historische Orgeln im Ruhrgebiet. CD-ROM 2000.

Borgmeyer, Marianne: Clausing. In: Neue MGG. Kassel usw.

Gocke, Hildegard: Der Orgelbau in den Kreisen Soest und Arnsberg vor 1800. Diss. Münster 1935 / Birkeneck 1936.

Heimatverein Rhynern (Hrsg.): 1000 Jahre Rhynern – Beiträge zur Dorfgeschichte. Hamm 1999.

Henninger, Wolfgang: Ein Wohltäter aus Westfalen oder: das Geschenk des Herrn von Vincke. In: Orgelstadt Aurich. Aurich 2003, S. 41-43.

Jerrentrup, Friedrich Wilhelm u.a.: Alte Kirchen in Hamm. Hamm 1999.

Kirchengemeinde Rumbeck (Hrsg.) / Thomas Niemand: Die historische Hinrich Klausing-Orgel der Kirche St. Nikolaus Rumbeck 1700-2006 – Festschrift. Arnsberg 2006.

Nordhoff, Josef Bernhard: Kunst- und Geschichtsdenkmäler des Kreises Hamm. Leipzig 1881.

Rave, Wilhelm (Hrsg.): Bau und Kunstdenkmäler von Westfalen, Bd. 47 (Kreis Unna, bearb, von Hans Thümmler) = Die Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Unna. Münster 1959, S. 382-401.

Reuter, Hannalore: Historische Orgeln der Stadt Soest. Münster 1995, S. 33-35.

Reuter, Hannalore: Historische Orgeln in Westfalen-Lippe. Münster 2006.

Reuter, Hannalore: Neuere Forschungen zum Orgelbau im Kreise Soest. In: SCHLEPPHORST 1990, S. 129-152.

Reuter, Rudolf: Die Orgellandschaft Westfalen. In: Westfalenspiegel 5. Dortmund 1958.

Reuter, Rudolf: Johann Patroclus Müller, Westfalens bedeutendster Orgelbauer im 18. Jh. In: Westfalen 37. Sonderdruck Münster 1959.

Reuter, Rudolf: Denkmalpflegebericht. 1963, S. 434. =
Reuter, Rudolf: Erhaltung und Wiederherstellung historischer Orgeln in Westfalen Lippe. In: Westfalen 41. 1963.

Reuter, Rudolf: Der Herforder Orgelbauer Klausing. In: Westfalen 42. 1964,S. 261-274.

Reuter, Rudolf: Orgeln in Westfalen. Kassel usw. 1965, S. 96f., 107f.

Reuter, Rudolf: Die Orgel in der Denkmalpflege Westfalens. Kassel usw. 1971, S. 74.

Reuter, Rudolf: Clausing. In: Alte MGG. Kassel usw. 1973.

Reuter, Rudolf & Fischer Franz: Maßnahmen an historischen Orgeln und Orgelgehäusen. In: Westfalen 53. Sonderdruck Münster 1975.

Salmen, Walter: Geschichte der Musik in Westfalen bis 1800. Kassel 1963, S. 156-172.

Sander, Gisbert: Bewegte Geschichte. Westfälischer Anzeiger vom 12.01.2002.

Schlepphorst, Winfried: Die westfälische Orgellandschaft in ihren Beziehungen zu anderen Gebieten. In SCHLEPPHORST 1990, S. 153-186.

Schlepphorst, Winfried (Hrsg.): Orgelkunst und Orgelforschung – Gedenkschrift Rudolf Reuter. Kassel 1990.

Seip, Achim: Der Orgelbauer Hermann Dreymann aus Beckum. In: SCHLEPPHORST 1990, S. 187-210.

Wulfhorst, Ulrich: Der westfälische Orgelbauer Johann Patroclus Möller (Teil I: Leben und Werk). Kassel 1967.